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Miloš Crnjanski

geb. 1893 in Csongrad (Ungarn), studierte Philosophie und Kunstgeschichte in Wien, Belgrad und Paris, erzwungenermaßen k.u.k. Offizier im ersten Weltkrieg, Anarchist und Sozialist, zahlreiche Romane, Reisebeschreibungen, Dramen und Essays, übersetzte klassische chinesische und japanische Lyrik, Verfilmung des Romans Seobe durch Aleksandar Petrovic, gründete 1922 verschiedene Zeitschriften, u.a. Puteve (Wege) mit M. Ristic, ab 1928 Kulturattachè in Berlin, Rom und Lissabon für das Königreich Jugoslawien, 1934 Herausgabe von Ideje (Ideen), Emigration nach London, 1965 Rückkehr nach Belgrad, höchste Auszeichnungen, starb 1977 in Belgrad

Miloš Crnjanski zählt zu den herausragenden Autoren der serbischen Avantgarde. Ihm ist es gelungen, die Schlachtfelder des ersten Weltkriegs zu überleben und eine Zuflucht zu suchen in imaginären Welten.
Seine poetische Prosa hat die moderne serbische Literatursprache geradezu erschaffen.

Veröffentlichungen im Leipziger Literaturverlag

Bei den Hyperboreern, Teil 1. Aus dem Serbischen von Elvira Veselinović, LLV 2013

Die Hyperboreer (griechisch: "jenseits des Nordwinds") sind ein sagenumwobenes Volk, dem die Griechen ein glückliches Dasein im hohen Norden andichteten. Während Milos Crnjanski als Diplomat in Italien weilt, kommt er nicht von den Eindrücken los, die er 1937 in Skandinavien gesammelt hat. In Rom nun erlebt und überlebt er den Zweiten Weltkrieg. Crnjanskis Roman "Bei den Hyperboreern", der hiermit erstmals in deutscher Übersetzung erscheint, trauert nicht dem unwiederbringlich Verlorenen nach, sondern hält eine letzte Hoffnung hoch: eine Wunschvorstellung, Utopie oder reale Traumerzählung. Crnjanski zeigt sich als Erzähler voller Charme und als Autor von europäischem Rang.

   

Ithaka. Gedichte, zweisprachig, aus dem Serbischen von Viktor Kalinke & Stevan Tontic, LLV 2008

Die Ursprünge Crnjanskis liegen jedoch in der Lyrik. Ithaka ist kein harmloses Gedichtbändchen für den Nachttisch. Ithaka ist die grausame Abrechnung mit dem alten Mitteleuropa der k.u.k. Monarchie und in seiner sarkastisch-pazifistischen Haltung aktueller denn je zum Verständnis der fortwährenden Konflikte auf dem Balkan. Crnjanski bricht sowohl mit den Großmachtträumen Serbiens, die sich auf Zar Dušan und das Amselfeld berufen, als auch mit dem verlogenen Humanismus der Westmächte. 1967, acht Jahre nach Erscheinen des Originals, publizierte der Suhrkamp-Verlag Peter Urbans Übersetzung der Kommentare zu Ithaka, die Crnjanski zu seinen Gedichten schrieb. Der im Jahr 1919 in Belgrad für Aufruhr sorgende Gedichtband selbst blieb dem deutschsprachigen Publikum bislang vorenthalten – eine absurde Editionsgeschichte, die mit der vorliegenden Ausgabe endlich ihren Abschluß findet.

   

Ithaka-Hörbuch, gesprochen von Miloš Crnjanski und Viktor Kalinke, ERATA 2009

enthält auch einen Kurzfilm zu Crnjanski

   

 

Iris Berlina. Aus dem Serbischen von Mirjana & Klaus Wittmann, LLV 2011

Ab 1928 weilte Crnjanski als Kulturattaché in Berlin. Seine Beobachtungen sind gerade für das deutschsprachige Publikum von herausragendem Interesse. Sie stellen die Außensicht eines intellektuellen Serben auf die Mentalität und das Alltagsleben der Weimarer Republik dar. Weit davon entfernt, ein passiver und oberflächlicher Beobachter zu sein, gibt Crnjanski nicht nur seine Eindrücke, sondern auch seine Vermutungen und Zweifel wieder, wobei sich manche seiner Schlußfolgerungen als verblüffend prophetisch erweisen sollten. So bemerkt er, der Erste Weltkrieg sei „eigentlich nur die Generalprobe für einen nächsten Krieg“ gewesen, und kommt zu dem Schluß, Deutschland würde, nach dem „Ende der Unbestimmtheit und der Zurückhaltung der heutigen deutschen Außenpolitik und deren Friedfertigkeit“, diesen nächsten Krieg gegen Polen führen. Hinter den glitzernden Kulissen der deutschen Hauptstadt sah er die Bestrebung, das Bild von Deutschland und seiner Rolle in der Geschichte zu beschönigen. Zu Recht wies er auf die Verdrängung der jüngsten Vergangenheit hin: „Daß das deutsche Volk in einem schrecklichen Krieg geschlagen wurde, davon ist auf deutschem Boden nichts zu spüren.“ Er befürchtete daher, daß, sobald die Frage der Reparationen gelöst sei, es „zu einer Rückbesinnung auf das alte Deutschland“ kommen und man in Berlin wieder beginnen würde, „unkontrolliert, fieberhaft, fantastisch zu denken“. (Milan Ristović)

   

Zottelige Pferde auf Island. Aus dem Serbischen von Elvira Veselinović, LLV 2011(Sonderdruck zur Frankfurter Buchmesse)

Den über 700 Seiten umfassenden autobiografischen Roman Bei den Hyperboräern, dem der Ausschnitt über Island entnommen ist, schrieb Crnjanski 1940. Am Rande des neuen Weltkrieges, war er damals jugoslawischer Diplomat in Rom. Das Buch ist ein subtiles literarisches Zeugnis über das Ende einer Epoche und zugleich eine anrührende Ode an die Schönheit und den Sinn des Lebens in den Weiten des nördlichen Europas. Fern von Heimat und eigener Sprache, melancholisch durch das faschistische Italien reisend, ahnte Miloš Crnjanski, daß sich ein unbegreifliches Unheil – „der große Krieg“ – unausweichlich nähert. Um einen Ausweg zu finden, vermischt er in seinem Text das Kulturerbe des Südens mit dem antiken Mythos über Hyperborea – „dem Land jenseits des Nördlichen“ – und eigenen Reiseerfahrungen aus dem Jahr 1937 nach Island, Jan Majen und Spitzbergen zu pazifistischen wie auch literarischen Visionen. Das ausgewählte Kapitel „Zottelige Pferde auf Island“ ist ein zeitloser Reisebericht über die Insel „in wahren Farben“ geschrieben, darüber hinaus ein antinationalistisches Plädoyer und ein engagierter Beitrag zur gesamteuropäischen Identität. (Milorad Živojnov)

Leseprobe

Stimmen

Ein Roman wie ein Tagebuch aus dem Rom kurz vor dem Krieg: Bei den Hyperboreern
Ralf Julke, L-IZ vom 03.05.2013

Eine Kurzgeschichte vom Traum vom irdischen Frieden: Zottelige Pferde auf Island
Ralf Julke, L-IZ vom 01.12.2011

Mit hellwachen Sinnen durch das Berlin des Jahres 1929: Iris Berlina
Ralf Julke, L-IZ vom 07.03.2011

Ithaka: Lyrik aus Serbien – drei Kriege alt
Ralf Julke, L-IZ vom 03.03.2009

Stevan Tontić über ITHAKA

 

Zu den Übersetzern:
- Viktor Kalinke, Stevan Tontic
- Elvira Veselinović
- Mirjana & Klaus Wittmann

Zu den Büchern:
- Ithaka, Ithaka-Hörbuch
- Iris Berlina
- Zottelige Pferde
- Hyperboreer 1

Crnjanski im Deutschlandradio